Verlust eines Tieres verarbeiten: Die Liebe zu einer Katze

Der Boss

Ich würde dir so gern sagen, dass dein Leben mit einem Fellgiganten an deiner Seite automatisch besser ist als ohne.

Ich würde dir so gern sagen, dass Tiere dein Leben auf der ganzen Linie nur bereichern.

Verdammt, ich wünschte, ich könnte dir sagen, mit einem Maine Coon zieht bei dir ein Freund für’s Leben ein.

Aber das ist nicht so.

Nicht wegen den Momenten, in denen du nach Hause kommst, um sämtliche Gardinen zerwühlt und durchlöchert auf dem Fußboden vorzufinden. Auch nicht, weil Katzen grundsätzlich dann in ihre eigene Scheiße treten, wenn du gerade mit Besuch bei Kaffee und Kuchen sitzt. Es geht nicht ums Putzen, ums Saugen, ums Schwingen von Fusselrollen, um Verzweiflung bei der Futterumstellung, um Zoff in der Gruppe, durchmiaute Nächte, schmerzhafte Liebesbisse oder Katzenkrallen im Gesicht. Himmel, es geht noch nicht einmal um die 2.000 Euro schweren Tierarztrechnungen, die meine Coonies mir in den letzten Jahren regelmäßig beschert haben.

Es geht darum, dass Katzen sterben.

Es geht darum, dass dein bester Freund, der dir sein ganzes Leben widmet und mit dem du mehr Zeit verbringst als mit allen anderen Lebewesen um dich herum, immer, egal was passiert, vor dir gehen muss.

Der Blitz

Sinkende Lebenserwartung

Einer der größten Fehler meines Lebens war, dass ich die Gesellschaft von Katzen in unserer Familie lange Zeit als selbstverständlich empfunden habe. Das ging, bis ich 15 war: Dann starb unser Norweger. Er wurde 16. Der Maine Coon folgte ihm ein Jahr später. Er ist fast 20 Jahre alt geworden.

Der Kater, der 2006 bei uns einzog, wurde 6. Sein Neffe schaffte es auf 9 Monate. Der Boss kam 2009 zu uns – er ist heute 7 Jahre alt und noch immer an meiner Seite. Als einziger. Sein 2012 adoptierter Kumpel starb mit zwei Jahren. Den Blitz holte ich 2014. Er ging am 3. Mai 2016. Auch er war gerade zwei Jahre alt geworden.

Jedes dieser Tiere habe ich geliebt. Doch der Boss und der Blitz, sie waren mein Ein und mein Alles – my first, my last, my everything. Und ausgerechnet beim Blitz war ich mir so sicher, die Wahrscheinlichkeit auf meiner Seite zu haben: Nach all den Coons, die so früh gehen mussten, musste er wieder der eine sein, der 16 oder 20 wird. Er und der Boss, die beiden würden ewig bleiben. Oder, sagen wir, lange.

Mehr als zwei Jahre zumindest.

Ich bin damit nun leider ziemlich auf die Schnauze gefallen.

Hundemenschen, Katzenmenschen

Katzen sind die, die dich als Kreuzung zwischen Reinigungsfachkraft und Kellner sehen, immer das Gegenteil von dem tun, was du dir von ihnen wünschst und sich generell einen feuchten Dreck um deine Gefühle scheren.

Das ist zumindest die weit verbreitete Ansicht, oder?

Tierfreunde haben ihren Spaß daran, sich in Hunde- und Katzenmenschen zu kategorisieren und die Vorteile beider Arten gegeneinander abzuwägen. Dabei ist es ja eigentlich so: Hunde sind großartig. Hunde sind die besten Freunde des Menschen. Aber: Auch Katzen sind großartig. Katzen sind die anderen besten Freunde des Menschen.

Die Voraussetzung dafür ist bei beiden Gattungen dieselbe: Der Mensch muss seinem Tier ein Freund sein.

Die Bindung zu einem Tier

Es gab da diesen Film, in dem Robert De Niro sagte, Hunde seien emotionale Schleimer und Hundemenschen (oder zumindest Ben Stiller) seien auf die Bestätigung angewiesen. Tatsächlich lässt ein Hund sein Herrchen aber sehr schnell im Regen stehen, wenn das sich nie um ihn bemüht. Kein Tier will einfach so nebenbei gehalten werden. Kein Tier ist einfach nur zum Kuscheln da. Hunde brauchen Auslastung, Ansprache und jemanden, auf den sie sich verlassen können.

Genau wie Katzen.

Jemand, der einmal täglich den Napf auffüllt, Waldi zweimal täglich um den Block führt und sonst höchstens mal am Halsband ruckt, wenn der Postbote gemeldet wird, hat zu seinem Hund keine Bindung.
Jemand, der zweimal täglich den Napf auffüllt, allabendlich das Klo säubert und sonst höchstens mal Zeter und Mordio schreit, wenn die Tapete von Minkis Krallen bearbeitet wird, hat zu seiner Katze keine Bindung.

Dem Blitz gehörte jede freie Minute, die ich hatte, und mir gehörte jede Minute, die er auf dieser Welt hatte. Wenn ich arbeitete, wartete er auf der Fensterbank neben der Tür, bis ich zurückkam. Wenn ich zu Hause war, schleppte er so lange Spielzeug an, bis ich mit ihm spielte. Er konnte Tricks, kam auf Zuruf, tröstete mich, wenn ich traurig war, brachte den Boss in Wallungen und ließ jeden Tag aufs Neue für ihn und mich die Sonne aufgehen.

Wir waren Freunde.

Blitz und Boss

Kommunikation mit Tieren: Back to the roots

Das hat nichts mit sozialer Inkompetenz zu tun, wie sie Tierfreunden gern vorgeworfen wird. Ich arbeite in einem Gesundheitsberuf, kümmere mich den ganzen Tag um Menschen und ihre sprachlichen und kommunikativen Defizite, rede, rede, rede, und brauche danach schlichtweg Ruhe. Tiere kauen dir kein Ohr ab, wenn du Heim kommst. Und sie haben kein Problem damit, wenn du einfach mal schweigst.

Die Bindung zu einer Katze basiert nicht auf Worten. Du kannst einer Katze keine Versprechungen machen, um sie bei der Stange zu halten. Komplimente sind ihr egal. Die Bindung zu einem Tier wird allein durch dein Handeln und dein Verhalten ihm gegenüber bestimmt, und das macht diese Freundschaften auf besondere Weise echt.

Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier ist um ein Vielfaches faszinierender als die zwischen Mensch und Mensch, weil sie uns zwingt, zu unseren Wurzeln zurückzukehren: In der Verständigung mit Tieren helfen uns Kognition und Worte nicht weiter, wir haben nur unsere Körpersprache, unsere Stimme, unser Herz, das uns sagt, wie wir unser Inneres nach Außen tragen, damit unser Gegenüber uns versteht.

Kommunikation mit Menschen: Method Acting

Diesen letzten Aspekt ignorieren wir im Alltag mit unseren Artgenossen meist völlig. Wir sind darauf konditioniert, zu schauspielern. Wer zu ehrlich ist, kriegt in irgendeiner Form eins auf die Fresse. Wir verkleiden Gefühle bis zur Unkenntlichkeit in Worten, machen aus Regen Sonnenschein und wundern uns über die bleierne Frustration, die früher oder später zu unserem ständigen Begleiter wird. Wir alle sind Method Actors, die sich an Rollen festkrallen, die wir irgendwann einmal aus welchen Gründen auch immer angenommen haben.
Wenn wir diese Rollen unseren Mitmenschen gegenüber fallen lassen, ist das, als trampelten wir barfuß in ein Nadelkissen.

Tiere sind in dieser Hinsicht um ein Vielfaches intelligenter als wir – und bedeutend ehrlicher. Wenn ein Tier sich auf dich einlässt, ist das deine Chance, zu deiner Natur zurückzufinden, deine Masken abzustreifen und endlich wieder du zu sein.

Wer Tiere nicht achtet, hat vom Leben keine Ahnung.

Mit dem Verlust eines Tieres umgehen

Die nackte Ehrlichkeit und Tiefe einer solchen Freundschaft führen leider dazu, dass man den Tod eines geliebten Tieres genauso schlecht wegsteckt wie den eines geliebten Menschen. Und wenn Liebe zu sehr wehtut, macht man besser einen Bogen darum.

Ich wollte keine Katzen mehr. Ich wollte meinen Blitz. Der Boss brauchte allerdings neue Gesellschaft – und so blieb mir am Ende keine Wahl.

Als Buddy und Sonny kamen, war ich genauso glücklich wie ich todtraurig war. Die Interaktion mit den beiden tat weh. Die Verbindung, die die beiden mir anboten, rührte mich – und versetzte mich in Panik.

Katzen sterben, nicht wahr?

Mit einem Maine Coon zieht bei dir kein Freund für’s Leben ein. 

Aber eigentlich stimmt das nicht. Mit einem Maine Coon hast du keinen Freund für die gesamte Dauer deines Lebens.

Aber für die Dauer seines Lebens schenkt er dir sein Herz.

Und auch wenn Liebe wehtut: Du willst am Ende doch nicht ohne leben, oder?

Buddy und Sonny

Die Fellgiganten unterstützen?!

Heute schon für Miez geshoppt?

Teile diesen Artikel!

Das könnte dich auch interessieren...

4 comments

  1. Frauchens 2 „first, last und everything“ sind ja immerhin 15 geworden, aber kurz hintereinander über die Regenbogenbrücke gegangen. Und dann kamen wir. So nach und nach, aber Frauchen fand das praktisch. Sie meinte, dann sind noch genug da, die sie trösten können. Würden wir auch tun. Vermutlich. Wir können Dich voll gut verstehen. *nick*
    Linus, Jasper, Lucy, Jinpa & Saanti

    1. Danke für den Kommentar, ihr Lieben! Das stimmt, wenn die Miezen vom Alter ein bisschen auseinander liegen, dann muss man hoffentlich nicht gleich mehrere Verluste auf einmal verkraften… Ich bin sicher, ihr seid alle wunderbare Trostspender, aber hoffen wir mal, Frauchen muss erst mal laaaange Zeit nicht getröstet werden und um niemanden trauern!
      Alles Liebe!
      Laura + Fellgiganten

  2. Bis jetzt habe ich noch * nur Bauerntiger*und mein ältester wird im Mai 15.Er ist der von beiden, der mit mir redet. Wir unterhalten uns viel, alles mit Gurten und seinen kurzen lauten. Und wir verstehen uns. Ich liebe ihn abgöttisch… und er weiß es🙈
    Leider wird er von Inzucht geplagt, Zähne, Gelenke und eins seiner Augen machen ihm zuweilen Probleme. Wenn wir abends zusammen vor dem Fernseher sitzen ( ich sitze er liegt auf meinem Schoss), dann genießen wir den anderen.
    Der Gedanke, dass er irgendwann sterben wird, versuche ich beiseite zu schieben. Doch der Sensenmann hat uns schon einmal von der Ferne zugewunken,,.. die Nieren wollen nicht mehr so.
    Also habe ich ihm versprochen wenn es an der Zeit ist, dann darf er von Zuhause aus zur Regenbogenbrücke gehen und ich begleite ihn dorthin, und noch weiter. Er wird immer bei mir sein und ich bei ihm. Liebe eben.
    Heike

  3. Danke für die schönen Worte. Mein Tyler war mein allerbester Freund und Seelenkater, am 30.04. ging er über die Regenbogenbrücke mit gerade mal 14 Jahren. Ich kann den Schmerz schwer in Worte fassen und eigentlich heule ich seit dieser Zeit in fast jeder freien Minute. Bilder von ihm anschauen geht gar nicht und ich ertappe mich dabei, dass ich seinen Kumpel Karlsson in der Mehrzahl anspreche. Es waren immer „meine Jungs“.
    Tyler kannte ich seit seiner 2.Lebenswoche, ich hab ihn gesehen und es war Liebe auf den ersten Blick. Er war meine erste Katze und hat mir gezeigt, was Treue, Vertrauen und Liebe bedeuten. Ich konnte ihm alles erzählen, er sass auf dem Wohnzimmertisch, schaute mich mit seinen klugen Augen an und unterhielt sich mit mir.
    Kein Küchenschrank, in den er nicht seine dicke Nase gesteckt hätte, kein Schritt ohne ihn. Bällchen spielen und apportieren, Dinge vom Tisch klauen und verstecken. Kurz nach seinem Tod fand ich ein hartgekochtes Ei unterm Sofa und hab geheult wie ein Schlosshund.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert