Tiere als Ware – Die Macht des Verbrauchers

Tiere als Ware

Wer den Fellgiganten schon ein Weilchen folgt, weiß, dass es mir hier seit jeher um mehr geht als um süße Fotos und Katzengeschichten. Ein Artikel von mir kommt standardmäßig mit bis zu 3.000 Wörtern und strotzt nicht nur vor dem vermeintlichen Mangel an Ernsthaftigkeit, den man in meinen Stil hineininterpretieren könnte, sondern vor allem vor Herzblut. Denn, ja, ich habe für meine Katzen schon verdammt viel Blut gelassen. Blut, Tränen und Seele. Natürlich auch Geld. Aber wen juckt die Kohle, wenn es um Leben geht? Um Liebe?

Versteh mich nicht falsch: Geld war für mich nie etwas, das ich vom nächsten Baum hätte pflücken können. Ich muss auch arbeiten, ich muss auch rechnen, ich muss auch zusehen, dass wir alle klar kommen.

Wenn ich meine Kater in die Tierklinik bringe, addiere ich im Kopf die Kosten der möglicherweise notwendigen Diagnostikverfahren. Ich überschlage die Preise von Behandlungen und Medikamenten, die anfallen könnten. Ich starte eine imaginäre Brainstorming-Session mit meinem ebenso imaginären Finanzberater, der mir die Posten aufzählt, bei denen ich in den nächsten Wochen und Monaten Geld einsparen kann.

Das liegt daran, dass ich schon mehrfach Tierarztrechnungen zu begleichen hatte, die weit in die Tausender gingen. Ich kenne das.

Ich bin trotzdem noch Katzenhalter. Ich halte trotzdem noch eine überzüchtete Moderasse. Ich stecke immer noch verdammt viel Geld in meine Tiere. Freiwillig. Aus Liebe und Verantwortungsgefühl und weil ich sehr genau weiß, was mir persönlich die Kohle wert ist und was nicht.

Das bedeutet nicht, dass ich kopflos die Fuffies durch den Club schmeiße, sobald es um meine Coonies geht. Es liegt nicht nur in meiner Verantwortung, dass ich für meine Schützlinge Geld ausgebe. Ich muss auch sehr genau überlegen, wofür.

Weil Geld heute leider die einzige Sprache ist, die jeder versteht. In unserem Geld steckt der größte Teil an Einfluss, den wir auf unsere Umwelt nehmen können. Geld in die Hand zu nehmen bewirkt heutzutage mehr als den Mund aufzumachen.

Tiermedizin und Rassekatzenzucht: It’s all about the money, yo!

Es ist der Frust über diese Tatsache, der mich diese Worte schreiben lässt. Wenn der nicht wäre, gäbe es heute einfach gar keinen Artikel. Weil ich eigentlich zu müde dafür bin. Zu kraftlos.

Es ging mir lange Zeit nicht gut. Ich stecke noch in der Erholungsphase. Ich wollte mich eine kleine Weile von allem zurückziehen – den Projekten, dem Schreiben, den Menschen, so lange, bis die Akkus wieder auf 60 bis 70% geladen sind.

Big Mars Is Watching You

Und dann las ich den Artikel von Ralph Rückert über den Kauf der AniCura-Kette durch Mars Petcare. Die Übernahme privat geführter Kliniken durch Ketten wie die AniCura ist ein Graus für sich. Eins, das mich hier bereits den besten Tierarzt der Welt gekostet hat, denn der nahm bei der Übernahme der Tierklinik Bielefeld durch die schwedische Unternehmensgruppe schon die Beine in die Hand. Gut für ihn! Für Querdenker und Idealisten wie seinesgleichen wäre unter dem Dach eines Riesenkonzerns wie Mars Incorporated ohnehin kein Platz. Aber: Verdammt schlecht für mich und die Fellgiganten. Wir haben schon genug Erfahrungen mit Tiermedizinern gemacht, die das Kassenklingeln als höchste Priorität auserkoren hatten. Wenn’s so weiter geht, wird das sehr bald die absolute Regel darstellen.

Das war der erste Schlag.

Silberstreif auf Abwegen

Und dann las ich den Artikel der Taubertalperser über die Auflösung einer Maine Coon-Zucht – wobei Auflösung hier doch ein sehr euphemistischer Begriff zu sein scheint.

Ich war mal ziemlich fit in puncto Coonie-Catterys und kannte alle auch nur marginal bekannteren Züchter zumindest von der Homepage her. Das Ding ist aber: Ohne persönliche Gespräche und genaue Blicke auf Zuchtstätten und Katzen über einen längeren Zeitraum hinweg kann niemand beurteilen, wie gut oder schlecht da gearbeitet wird. Viele Zuchten haben wahrlich katastrophale HTML-Frameset-Konstrukte als Aushängeschild und posten Fotos, auf denen die Katzen wie verblitzte Gremlins aussehen. Dahinter mögen aber vielleicht ganz patente Coonie-Genetiker mit tollem Händchen für die Tiere stecken. Andere machen mit der Website womöglich alles richtig, haben beim Gedanken an Kitten-Käufer aber doch nur schmutzige Euro-Zeichen vor Augen und setzen aufeinander, was geht, nur um Kohle zu scheffeln. Über die Jahre bin ich extrem misstrauisch geworden. Entsprechend habe ich aufgehört, mich damit zu beschäftigen, wer gerade aktiv mit welchen Linien und mit welchen Grundsätzen züchtet.

Den Namen der im Artikel genannten Cattery kannte ich trotzdem. Die Domain dieser Zucht war nämlich ab und an ein Referer auf diesen Blog. Sprich, die Website dieser Zucht hatte auf die Fellgiganten verlinkt. Und zwar auf einen ganz bestimmten Artikel: Der Preis einer Maine Coon – und das Problem einer Moderasse.

Oh, die Ironie.

Das war der zweite Schlag – und der saß. Der saß so richtig.

Scheiß auf die Akkus. Wut und Frust sind hervorragende Notstromgeneratoren.

Cave!

Baby Budd
Fix mal Luft holen und Baby Budd anschauen…

Lass mich das kurz erklären: Ich kann unmöglich kontrollieren, wer oder was alles auf diesen Blog verlinkt und meine Worte für sich sprechen lässt. Ich hypnotisiere nicht mein Dashboard, um Referer zu finden, die ich dann auf Tauglichkeit prüfe. Ich weiß, dass die eine oder andere Katzenzucht auf diesen Artikel verweist. Ich spiele jetzt aber nicht die Rassekatzen-Polizei und maße mir an, zu beurteilen, ob jemand nach meinen persönlichen Idealen arbeitet und diesen Link setzen »darf«. Kann ich nicht – und will ich nicht.

Leider kann ich entsprechend auch nicht ausschließen, dass x-beliebige Vermehrer-Homepages sich auf meinen Artikel berufen, um die Preise für ihre Vermehrer-Kitten zu rechtfertigen und den Nicht-Vermehrer-Anschein zu wahren.

Für mich ist das nur ein Beweis mehr, dass wir Menschen verdammt gut aufpassen müssen, wem wir unser Geld geben. Das ist in allen Dingen so. Wir leben in einer Welt, die vom simplen »Angebot und Nachfrage«-Prinzip regiert wird. Es geht eben immer nur um Geld. Sorry, aber das zu leugnen, wäre naiv. Du kannst frustriert sein (wie ich), du kannst resignieren, du kannst rebellieren… Oder du kannst die Gegebenheiten annehmen und versuchen, deine Werte in dieser kalten, toten Sprache zu kommunizieren (ich meine nicht Latein, ich meine Geld).

Geld ist Zustimmung!

Nein, das ist nicht einfach. Geld wächst nicht auf Bäumen. Und fair ist es auch nicht. Wer mehr Geld hat, hat somit am Ende nämlich auch immer mehr Einfluss. Aber zumindest haben wir die Möglichkeit, in den Lebensbereichen, die uns wichtig sind, ein kleines bisschen einzuwirken. Und wenn viele Menschen auf dieselbe Weise agieren, dann produziert dieses Kleinvieh früher oder später so viel Mist, dass etwas Gutes dabei herauskommen kann.

Ralph Rückert ruft im oben genannten Artikel beispielsweise dazu auf, die tiermedizinischen Einrichtungen unter der Fuchtel von Mars Petcare zu meiden. Einerseits, weil du deinem Tier nichts Gutes tust, wenn du es Ärzten überlässt, die nicht in erster Linie Leben retten, sondern möglichst hohe schwarze Zahlen erreichen sollen. Andererseits aber auch, weil Boykott dazu führt, dass die Großkonzerne merken: Ups, läuft nicht so gut. Bringt wohl nichts, wenn wir uns hier alles unter den Nagel reißen.

Dasselbe Prinzip trifft auf den Kauf von Vermehrer-Kitten und -Welpen zu. Würde keiner die Billig-Hundis aus Osteuropa erstehen, gäb’s diesen Boom um’s kranke Fließbandtier überhaupt nicht. Würde beim Kauf von Rassekatzen jeder kritische Fragen stellen und die Zuchtstätte und Elterntiere auf Herz und Nieren prüfen, anstatt auf möglichst geringe Kosten abzuzielen, hätten es schlechte Züchter auch nicht so verdammt leicht.

Schwachpunkt Emotion

Dabei sind die »Täter« ja nicht blöd. Die erzählen dir natürlich, dass die Gesundheit deines Lieblings ihr höchstes Anliegen ist. Die verlinken auch auf Anti-Vermehrer-Content. Die wissen schon, wie sie’s machen müssen. Das Problem ist, dass wir als Kunden, wir als Verbraucher, uns herrlich dämlich anstellen, wenn es um Tiere geht.

Bei Tieren setzt unser Verstand eben gerne mal aus. Die sind süß und kuschelig und wecken Muttergefühle und überhaupt.

Indio
»Ist so.«

Kranke Tiere

Wenn einer meiner Kater krank ist, laufe ich innerlich Amok. Als ich Sonny am Morgen seines letzten Tages in die Tierklinik brachte, pendelte ich zwischen nackter Panik und lähmender Apathie. Feuersturm im Kopf, Eiszacken im Herzen.

Und trotzdem musst du in dieser Situation Entscheidungen treffen und rational analysieren, was das Beste für deinen pelzigen Schützling ist. In solchen Momenten bist du schwach und tendenziell beeinflussbar. Konfrontiert mit dem schmerzhaften Abschied vom geliebten Fellfreund steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du nach jedem Strohhalm greifst, dass du Chancen und Silberstreife sehen willst, wo in Wahrheit nur Schwärze liegt, und wenn dir in diesem verletzlichen Augenblick jemand falsche Hoffnungen macht… Vielleicht endest du wenige Wochen später mit einem kleinen Vermögen an Schulden in petto und einem toten Tier auf dem kalten Behandlungstisch. Einem Tier, das lange vorher realisiert hatte, dass seine Zeit hier vorüber ist. Das Qualen gelitten hat, die du ihm hättest ersparen können, hättest du es früher gehen lassen.

Oh, aber die Klinik hat die ersehnten schwarzen Zahlen geschrieben. Yay!

Baby-Tiere

Und wenn du dich nun nach einem neuen haarigen Begleiter auf vier Pfoten sehnst? Ein süßes Foto bei eBay Kleinanzeigen später sitzt du im zugestellten Wohnzimmer einer »Züchterin«, rümpfst die Nase über Nikotingeruch und Katerpisse und bist dann doch hin und weg, als dir die winzige Flauschkugel auf vier Samtpfötchen gereicht wird. Das Vatertier ist gerade bei einer Freundin, sagt sie, und die Mutter voll und ganz mit den anderen Kleinen beschäftigt. Die wollen wir doch nicht stören, oder? Während sie dir Kaffee einschenkt, erzählt sie, wie viel Glück du hast, dass dieses Kätzchen noch frei wäre, dass du es noch haben könntest, denn, hey, alle reißen sich um ihre Kleinen. Einen Verein brauche sie gar nicht, die Kosten für die Stammbäume spare sie sich, das Geld investiere sie lieber in die Zucht. Eins wisse sie ganz sicher: Ihre Kitten sind gesund und munter und bereiten ihren neuen Menschen ganz, ganz viel Freude. Darauf komme es an – nicht auf so einen dummen Fetzen Papier! Sie mache das hier rein aus Liebe zu den Tieren.

Als du die Triefaugen des puscheligen Bündels auf deinem Schoß bemerkst, winkt sie ab – das sei ganz normal. Sechs Wochen sei das Kleine erst alt. Da tränen die Augen schon mal. Ob du es sofort mitnehmen wolltest? Du wärst ihr so sympathisch, du bekämst es für einen Sonderpreis von 300 Euro. Das wichtigste wäre doch, dass die Kätzchen es bei ihren neuen Besitzern gut hätten, nicht wahr?

Spring zwei, drei Wochen weiter und freu dich, wenn dein Tierarzt mittlerweile neue, höhere Zahlen verfolgt und dir für die Behandlung des Katzenschnupfens zusätzlich 6 homöopathische Mittelchen und vor der Behandlung der Darmparasiten ein MRT ans Herz legt.

Die Macht des Kleinen Mannes

Baby Indio
Des sehr kleinen schwarzen Mannes. Rawr!

Wenn ich dich jetzt auf Knien anflehe, so viel wie nur irgendwie möglich zu hinterfragen, dann mache ich das nicht nur um deinetwillen und weil ich das Beste für dein Tier will. Ich sehe dahinter auch die Chance, den Status quo für die Allgemeinheit zu verbessern. Letztendlich verbreitest du nämlich mit jedem Cent, den du wieder in Umlauf bringst, auch eine Message. Je nach dem, wofür du ihn einsetzt.

Das bedeutet, dass wir schlussendlich alle Teil des Problems sind. Und dass wir alle die Möglichkeit haben, zur Lösung beizutragen.

Erinnerst du dich an die Zeile aus Sandbergs Gedicht – »sometime they’ll give a war and nobody will come«, »stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin«? Würde alle Welt den Vermehrern den Finger zeigen und Tiere nur noch vom guten Züchter oder vom verantwortungsbewussten Tierschützer adoptieren, würde einfach kein verdammter müder Euro mehr für Billigwelpen und -kätzchen locker gemacht werden, so würde dieses Geschäft ziemlich fix aussterben.

Du hast (fast) immer die Wahl

Und dieses Prinzip ist beliebig übertragbar. Sei es auf die Tiermedizin, die Futtermittelindustrie, die Massentierhaltung – oh, und nicht zu vergessen all jene Lebensbereiche, die nichts mit Tieren zu tun haben. Die soll’s ja auch noch geben!

Natürlich sind wir alle in unseren Mitteln begrenzt. Das ist okay. Wir können nicht mal eben die Welt retten. Müssen wir auch nicht. Es reicht, wenn wir unseren persönlichen Werten entsprechend handeln und uns ein bisschen mehr bewusst darüber werden, dass alles, was wir tun, jede noch so kleine Alltagsentscheidung, potenziell Konsequenzen hat.

Als Tierfreunde können wir so zumindest versuchen, für Lebewesen einzustehen, die sich selbst nicht verteidigen können. Dass wir auf Tiere so unglaublich emotional reagieren, wird ihnen zum Verhängnis. Dabei hat keine Katze darum gebeten, besonders flauschig zu sein oder mit einer besonders beliebten Farbe geboren zu werden, damit irgendjemand besonders viel Geld für sie bezahlt. Kein Tier verdient es, von Medizinern und deren Bossen als Goldesel betrachtet zu werden – als Geisel, deren Gesundheit und Überleben teuer freigekauft werden muss. Die Evolution hat uns unsere fusseligen Mitbewohner nicht als Geldquellen beschert. Viele unserer Artgenossen kapieren das nicht. Aber wir müssen uns nicht auf deren Stufe stellen. Wir können immer noch Nein und Stopp sagen.

Wissen ist (auch) Macht

So überzeugend die Tier- und Tierbedarfs-Produzenten heutzutage sein mögen: Die Zeiten machen es uns Konsumenten und Tierfreunden auch einfacher. Wir können uns informieren. Mit dem iPhone in der Tasche tragen wir das Wissen der ganzen Welt mit uns herum. Wir können lesen, schreiben, sprechen, uns austauschen. Und sobald es um Lebewesen geht, stehen wir sogar in der Pflicht, das zu tun.

Je mehr Ahnung wir selbst haben und je mehr Erfahrungen, Meinungen und Vergleichswerte wir sammeln und gegenüberstellen, desto schwerer lassen wir uns überrumpeln, manipulieren und zu Spielbällen degradieren. Die Industrie sieht Tierfreunde als emotionsgeladene Mutterschiffe, die sich locker ausnehmen lassen, wenn man nur die richtigen Knöpfe drückt. Nicht nur zum Leidwesen der fusselfreundlichen Zweibeiner – sondern auch zum Leidwesen der bedenkenlos instrumentalisierten Tiere selbst.

Deswegen: Denk nach, wem genau du dein Geld überlässt. Jeder Cent ist in gewisser Weise auch ein »Gefällt mir!«, ein Thumbs up, ein »Mach weiter so«. Deine Kohle ist die größte Form von Unterstützung, die du jemandem geben kannst. Uns wird genug Geld aus der Tasche gezogen, worauf wir keinen Einfluss haben. Sobald du die Wahl hast: Nutze sie und überleg lieber zweimal, ob der zu Bezahlende wirklich dein »Gefällt mir« verdient. Gerade, wenn es dabei um Lebewesen geht. Unsere Tiere sind keine Waren, keine Goldesel, und wer immer das anders sieht, sollte nichts als ein fettes »Daumen runter!« kassieren!

Die Fellgiganten unterstützen?!

Heute schon für Miez geshoppt?

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